Grundlagen und Anwendungsbeispiele für den Einsatz von IoT-Technologien in der Instandhaltung

Georg Güntner (Salzburg Research)

Wenn industrielle Anlagen, Maschinenkomponenten, Sensoren und Aktoren mit dem Internet verbunden werden und so zu einem Teil des industriellen Internets der Dinge (IIoT) werden, dann birgt das auch für die Instandhaltung große Potenziale und wirkt sich auf die Geschäftsmodelle im Instandhaltungsbereich aus. Der folgende Artikel beleuchtet die Grundlagen und ausgewählte industriellen Szenarien für den Einsatz des Internets der Dinge in der Instandhaltung.

Instandhaltung im Internet der Dinge

Eine im Jahr 2015 durchgeführte Studie über die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Instandhaltungsbranche (siehe dazu „Roadmap der Instandhaltung 4.0“, [Guen2015c]) zeigte, dass das Internet der Dinge und seine Anwendungsmöglichkeiten und der Nutzen für die Instandhaltung in den Produktions- und Instandhaltungsabteilungen noch wenig bekannt waren. Auch wenn der Begriff heute von zahlreichen Consumer-Anwendungen her bekannter ist (beispielsweise von Gebäudesteuerungen oder von der Messung von Gesundheitsparametern über mobile Apps), möchten wir dennoch im Folgenden eine Definition des Begriffs geben und von dieser ausgehend die Bedeutung der Technologie für die Instandhaltung zu beschreiben. Was also ist das „Internet der Dinge“ und wie wird es sich auf die Instandhaltung auswirken?

Abbildung 1: Instandhaltung im Internet der Dinge
(© Salzburg Research, Fotolia.com, kinwun)

Das „Internet der Dinge“ („Internet of Things“ – kurz: „IoT“) bezeichnet „die Vernetzung von Gegenständen mit dem Internet, damit diese Gegenstände selbstständig über das Internet kommunizieren und so verschiedene Aufgaben für den Besitzer erledigen können. Der Anwendungsbereich erstreckt sich dabei von einer allgemeinen Informationsversorgung über automatische Bestellungen bis hin zu Warn- und Notfallfunktionen.“ (Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon). Der Begriff der Gegenstände ist dabei sehr weit gefasst und umfasst z.B. Smart Phones, Thermostate, Parkuhren, Waschmaschinen, Autos und Spielzeug. Im industriellen Umfeld sind es Roboter, Maschinen, Komponenten, Werkzeuge und Ersatzteile, tragbare Geräte, Sensoren u.v.a.m., die zu Objekten im Internet der Dinge werden.

Die sich um das Internet of Things (IoT) scharenden Technologien, Konzepte und Geschäftsmodelle sind in den letzten Jahren zu einer der bedeutendsten Strömungen in der industriellen Digitalisierung geworden. Viele andere emergente Technologie-Trends (z.B. IPv6, 5G, Big Data, Cloud, Digital Twin (siehe dazu Beitrag „Digital Twins“»), Industrie 4.0) stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Internet of Things. In vielen Fällen werden begrifflich auch die mit dem Internet der Dinge verknüpften Dienste mit einbezogen: Man spricht vom „Internet der Dinge und Dienste“ („Internet of Things and Services“ – kurz: IoTS). Die Dienste bilden wiederum die Grundlage für die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle.

Die Potenziale des IoT für die Instandhaltung

Bei aller Komplexität der mit dem Internet of Things verbundenen Ideen darf oft nicht übersehen werden, dass die Umsetzung durchaus einfach sein kann: Beispielsweise reicht oft eine einfache Möglichkeit zur Identifizierung von Gegenständen, um eine Verbindung zwischen der realen und der virtuellen Welt zu schaffen. Technologien wie Barcodes, RFID, NFC und iBeacons werden daher immer wieder in Verbindung mit dem Internet of Things gebracht. Mithilfe von mobilen Geräten oder Datenbrillen lassen sich so sehr schnell Anwendungen entwickeln, die dem Instandhaltungspersonal rasch und zuverlässig Informationen über den Zustand und die Wartungsanweisungen einer Anlage gibt.

Abbildung 2: Datensammlung und -visualisierung im Industrial IoT
(© Salzburg Research, Fotolia.com, ekkasit919)

Wesentlich an der obigen Definition für das Internet der Dinge erscheint uns im Zusammenhang mit Industrie 4.0 der Begriff „selbstständig“ und damit der Autonomie: Vernetzte, autonome cyber-physische Systeme sind eine der grundlegenden Vision von Industrie 4.0. Es geht im Internet der Dinge nicht um die „traditionelle“ Verbindung zwischen Sensoren und Aktoren mit einer zentralen Steuerungs-Einheit, sondern um die Kommunikation der Gegenstände und der beteiligten IT-Systeme untereinander. Dabei verfügen diese Gegenstände über eingebaute Mikroprozessoren, die die Verbindung mit dem Internet sicherstellen und ein gewisses Maß an „lokaler Intelligenz“ bereitstellen (in der Software-Technologie spricht man im Zusammenhang mit vernetzten autonomen Systemen von „Software Agenten“).

Im Bereich der Produktion sind es Maschinen und Anlagenteile, die über ihren aktuellen Zustand Bescheid wissen, möglicherweise auch selbst Prognosen über ihren zukünftigen Zustand machen können, und daraus bis zu einem gewissen Grad autonome Entscheidungen ableiten können (z.B. „Drehzahl reduzieren“, „Kühlung verstärken“, „Instandhaltungsmaßnahmen anfordern“). Eine Voraussetzung für derartige Entscheidungen ist die Erfassung von Betriebs-, Qualitäts- und Umgebungsparametern über entsprechende Sensorik. Weitere Voraussetzungen sind die sichere und zuverlässige Übertragung der Daten an IT- und Datenverwaltungssysteme (unabhängig davon, ob dies in klassischen Unternehmensdatenbanken oder in der Cloud erfolgt) und die Bereitstellung von Analyseverfahren zur Interpretation und zur Ableitung von Maßnahmen aus den Daten in Echtzeit (dazu gehören im Bereich der Instandhaltung unter anderem Verfahren der Predictive Maintenance (siehe dazu Beitrag „Predictive Maintenance“»).

Eine wichtige Rolle in der steigenden Datenflut kommt der Visualisierung der gesammelten Daten zu, die große Datenmengen den Verantwortlichen in Produktion und Instandhaltung so darstellen muss, dass schnell entsprechende Entscheidungen getroffen werden können („Operator Dashboard“, „Maschinen Dashboard“- siehe dazu den Anwendungsbericht „Datensilos integrieren“).

Anwendungsszenarien

Aus der Vielzahl der möglichen Anwendungsszenarien haben wir im Folgenden zwei Beispiele ausgewählt. Weitere Beispiele finden sich in dem im Dezember 2018 erschienenen White Paper „Instandhaltung im Internet der Dinge“ ([Guen2018a]).

Industrielle Assets im Internet der Dinge

Mit dieser Überschrift eröffnen wir einen Blick in die Welt der „industriellen Assets“, die im industriellen Internet der Dinge eine Repräsentation haben, etwa indem sie über eine IP-Adresse verfügen und mit anderen Assets oder IT-Plattformen vernetzt sind. Gemeint sind damit Anlagen, Komponenten, Roboter, Werkzeuge, Transport-Systeme, Infrastruktur-Einrichtungen u.v.a.m., die auf irgendeine Weise mit dem Internet verbunden sind und darüber Daten und Steuerungsbefehle austauschen und somit Teil eines Produktionsökosystems werden, in dem theoretisch jedes Asset mit jedem anderen kommunizieren kann. Dies ermöglicht eine neuartige Verknüpfung von anlagenbezogenen Datenquellen mit IT-Systemen, die spezialisierte Dienste anbieten: Darunter fallen natürlich auch Dienste, die die Instandhaltung der Anlagen verändern und revolutionieren. Warum?

Neue Anlagen erfassen Betriebs- und Qualitätsdaten und stellen diese instandhaltungsrelevanten IT-Diensten zur Verfügung, die auf unterschiedliche Aufgaben spezialisiert sind: etwa die Visualisierung, die Erkennung kritischer Betriebszustände und die Prognostizierung von Störfällen. Wir unterscheiden an dieser Stelle noch nicht, ob die IT-Dienste beim Betreiber, beim Hersteller, beim Instandhaltungsdienstleister oder anderen spezialisierten Dienstleistern erbracht werden. Aus Gründen der Datensicherheit ist es für viele Unternehmen ein wichtiges Kriterium, ob und welche Daten die Produktionsumgebungen verlassen. Die Geschäftsmodelle, die sich um die Nutzung solcher Daten außerhalb der Unternehmensgrenzen entwickeln, werden also Themen der IT-Security (Datensicherheit, Datenschutz) vorrangig lösen müssen.

Das Neuartige an IoT-fähigen Assets ist nun weniger, dass Daten gesammelt und übermittelt werden (das geschieht auch in der Automatisierung und im Condition Monitoring), sondern wie diese Daten übermittelt werden (d.h. welche Protokolle zum Einsatz kommen) und wie auf sie zugegriffen werden kann (d.h. welche Schnittstellen und Standards zum Einsatz kommen) (siehe dazu Beitrag „‚Panta rhei‘ in der Instandhaltung”»).

Ein weiteres Kennzeichen von IoT-fähigen Assets ist die Möglichkeit der Durchführung von Software-Updates über das Internet (z.B. Einspielen neuer Features oder Fehlerbehebung). Dies erfordert robuste Testverfahren vor der Ausrollung der neuen Software, hat aber den Vorteil, dass die Installation ohne Präsenz von Technikern vor Ort durchgeführt werden kann.

Remote Service Konzepte

Ein Spezialfall der Überwachung, Diagnostik und Prognostik liegt vor, wenn Produktionsanlagen über das Internet der Dinge Betriebsdaten an den Anlagenhersteller (bzw. an einen von diesem bereitgestellten Datenpool oder ein Cloud-Plattform) senden. Hierbei ist durch vertragliche Rahmenbedingungen sicherzustellen, dass die Daten nur zu vorgesehenen Zwecken verwendet werden, dass die Daten vor ungerechtfertigtem Zugriff geschützt sind und dass die Daten nicht oder nur für vorgesehene Zwecke (z.B. die Analyse) an Dritte weitergegeben werden. Der Hersteller muss also den Schutz der Daten (IT-Sicherheit) und der Privatsphäre gewährleisten und vertraglich garantieren.

Abbildung 3: Remote Service Konzepte im IoT
(© Salzburg Research, Fotolia.com, kinwun)

Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass der Hersteller auf der Basis der übermittelten Daten viel verlässlichere Diagnosen und Prognosen als der Betreiber der Anlage stellen kann, weil die Berechnungsmodelle (Real-Time Diagnose bzw. Real-Time Analytik) des Herstellers auf einer wesentlich breiteren Datenbasis beruhen. Auch in diesem Szenario können Anforderungen wie die frühzeitige Erkennung von ungünstigen Betriebszuständen und die vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) unterstützt werden. Ein Nachteil dieses Szenarios ist, dass die Betriebsdaten der Anlagen unterschiedlicher Hersteller in unterschiedlichen Cloud-Plattformen gespeichert werden und der Betreiber selbst keinen einheitlichen Überblick über die Gesamtheit seiner Daten hat und diese auch nur schwer in Beziehung zueinander setzen kann.

Die Anlagenhersteller knüpfen an die Sammlung und Auswertung von Betriebsdaten Geschäftsmodelle wie Remote Service Konzepte und andere After Sales Services (z.B. Ersatzteil-Lieferungen, Obsoleszenz-Management). Aber auch die Weiterentwicklung und Optimierung von neuen Anlagengenerationen kann durch die Analyse der vorliegenden Daten unterstützt werden, wovon letztlich sowohl der Anlagenhersteller als auch der Betreiber profitieren (siehe dazu Anwendungsbericht „Smart Inspection: Technologie intelligent kombiniert”»).

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